Märchen und so
Märchen und so
Die Ameise und Du
Du liegst im Gras. Ziemlich unbekleidet. Friedlich ziehen kleine Wolken vorbei und du träumst dir dein Leben.
Eine Ameise krabbelt links an Deiner Hüfte hoch, läuft weiter und verschwindet in Deinem Bauchnabel. Du hebst kaum den Kopf. Sie lugt hervor, sieht Deine neugierigen, lachenden Augen, krabbelt heraus und marschiert schnurstracks auf dich zu. Zwischen deinen Brüsten macht sie halt. Schaut mal nach links, mal nach rechts, dann hebt sie ihren Kopf und schaut dir in die Augen.
Ich kenn dich, sagt die Ameise.
Was? Du kennst mich?
Oh ja, man erzählt sich seit Generationen von dir.
Wie das?
Ach, du erinnerst dich nicht?
Wie sollte ich mich an so einen Unsinn erinnern.
Papperlapapp. Kein Unsinn.
Ausserdem kann ich dich doch gar nicht verstehen. Du bist doch eine Ameise, und die spechen nicht.
Oh doch, die sprechen. Und man erzählt sich von dir. Du warst doch früher auch eine von uns. In den dicken Ameisenbüchern steht es geschrieben.
Was soll denn da stehen?
Oh, es ist die grosse Geschichte. Von der Ameise, der es gelungen war, im Lotossitz unter dem schattigen Baum zu sitzen. Dort meditierte sie fast ein ganzes Ameisenleben lang. Und schliesslich, als sie fertig meditiert hatte und gerade erleuchtet von dannen krabbeln wollte, da kam ein Mann und setzte sich auf sie drauf. Plumps.
Da bekam die Ameise fast keine Luft mehr und brach sich eines ihrer zarten Beinchen. Mit letzter Kraft zwackte sie den Mann in den Hintern. Der sprang erschrocken auf, sah dich und begann, sich mit dir zu unterhalten.
Und du erzähltest ihm von deiner Meditation. Und er setzte sich neben dich. Und einige Jahre später war auch er erleuchtet, denn du hattest ihn gelehrt, zu meditieren.
Wer soll denn das gewesen sein?
Was? Selbst das weisst du nicht mehr? — Man nannte ihn Siddhartha Gautama oder Buddha.