Verlage führen Klickpreise für E-Books ein

Dem Trend zum Ebook sind die klassischen Verlage jahrelang hinterhergelaufen. Jetzt preschen sie mit Innovation vor. Nicht immer zur Freude ihrer Leser.

Franklin hielt die Drahtschlinge an ihren Holzgriffen fest in den Händen. Der Aussenminister öffnete die Haustür, wo sein Fahrer ihn soeben abgesetzt hatte, und beendete sein Telefonat: «Ja John, wir müssen die bewaffneten Drohnen losschicken. Ali zeigt sich völlig uneinsichtig.»

Franklin atmete ruhig. Meditation vor einem Mord, das hatte er im Laufe der Jahre herausgefunden, liess ihn seine Arbeit in völliger Gelassenheit und Harmonie mit sich selbst ausführen. Jetzt vernahm er die Schritte. Der Minister kam näher …. BITTE KLICKEN SIE HIER, UM WEITERZULESEN

Hinter dieser Klickaufforderung verbirgt sich ein neues Konzept, dem die gesamte deutschsprachige Verlagsszene auf einer Sonderveranstaltung der Frankfurter Buchmesse begeistert zugestimmt hat: Sonderzahlung bei Spannungsanstieg.

Lektoren lassen die Kasse klingeln

Die Lektoren in den Verlagshäusern sind seit wenigen Wochen aufgefordert, bei sämtlichen von ihnen wahrgenommenen Spannungsanstiegen in Romanen einen Klick-Vermerk anzubringen. Je nach Autor, Stelle im Buch, Dramatik der folgenden Szene, kostet der Klick zum Weiterlesen zwischen 5 cents und 5 Euro. Letzterer dürfte sich vor allem bei den letzten fünf Seiten von Krimis etablieren.

Ein Überspringen der Szenen ist nicht möglich. Daher erklärt sich auch der günstige E-Book-Preis von pauschal 99 Cents: Die Kosten kommen erst noch auf den Leser zu. Die Branche will die Klickpreise zudem flexibel gestalten, so dass bei einem Buch, das in den Bestsellerlisten erscheint, der Klickpreis mit dem Verkaufserfolg automatisch erhöht wird.

Sachbuch zieht nach

Der Cheflektor eines grossen Sachbuchverlages, der namentlich nicht genannt werden möchte, verriet, dass die nächsten Kochbücher seines Hauses als Ebook ebenfalls nur 99 Cents kosten werden.

«Klick-Kostenpflichtig werden allerdings bestimmte Mengenangaben bei Rezepten, zum Beispiel wie viel Chili zu nehmen ist oder auf welche Temperatur man den Backofen vorheizen soll.»

Autoren verlangen höhere Beteiligung

Autoren, welche wir auf der aktuellen Buchmesse in Frankfurt befragen konnten, fordern eine gestaffelte Beteiligung. Tom Voltz, Autor im Sachbuch- und Belletristikbereich, fordert: «Je höher der Klickpreis um so grösser sollte der prozentuale Honoraranteil der Autoren sein. Wenn wir für einen 1-Euro-Klick 25 Prozent erhalten, so sollten wir aufgrund unserer besonderen Schreibleistung bei einem 5-Euro-Klick mit 60 Prozent beteiligt werden.»

Dem widerspricht der Präsident des Verlegerverbandes: «Die Klickbewertung erfolgt durch die Lektoren unserer Häuser, nicht durch die Autoren. Als Schnittstelle zum Leser sind die Lektoren, übrigens gerechterweise ebenfalls prozentual beteiligt, die eigentlichen Garanten des Erfolges unseres Modells.»

Der Streit mit Amazon, Apple und anderen E-Book-Vertreibern ist vorprogrammiert.